„Was es nun braucht, ist politische Weitsicht“

ZDH-Generalsektretär Holger Schwannecke fasst die aktuelle Lage im Vorfeld der Internationalen Handwerksmesse (IHM) zusammen: Welchen Beitrag kann das Handwerk in diesen Zeiten leisten und welchen die Politik?

Die Vorzeichen, unter denen die Internationale Handwerksmesse 2022 an den Start geht, stehen auf Krise: Die Auswirkungen der Corona-Pandemie setzen auch dem Handwerk noch immer zu und die aktuellen globalen Umbrüche stellen Betriebe vor weitere, große Herausforderungen.

Transformationsprozesse, an denen das Handwerk maßgeblich beteiligt ist, müssen im Dialog von Wirtschaft und Politik zügig angegangen werden. Die Rolle des Messestandorts Deutschland darf dabei nicht außer Acht gelassen werden.

Welchen Beitrag kann das Handwerk in diesen Zeiten leisten und welchen die Politik?

Holger Schwannecke, Generalsekretär des Zentralverbands des Deutschen Handwerks e.V. (ZDH), fasst die aktuelle Lage im Vorfeld der Internationalen Handwerksmesse (IHM) so zusammen: „Wir sehen uns nicht mehr allein einer gewaltigen Krise gegenüber, sondern es handelt sich um multiple, aufeinanderfolgende und ineinandergreifende Krisen, die sich in ihren Effekten und Auswirkungen gegenseitig verstärken.

Diese Krisen haben einen Handlungs- und Reaktionsdruck für die Politik, aber auch für unsere Betriebe sehr konkret in ihrem Geschäftsalltag aufgebaut, den es in dieser Dimension in der jüngeren Vergangenheit noch nicht gegeben hat.“

Belastung der Handwerksbetriebe nimmt weiter zu

Explodierende Preise in der Energie- und Materialienversorgung wie auch die Unterbrechungen von Lieferketten machten Neuaufträge oder Beteiligungen an öffentlichen Ausschreibungen für viele Handwerksbetriebe zu einem kaum kalkulierbaren Risiko. Unsicherheiten hinsichtlich der Preisentwicklungen erschwerten die realistische Angebotserstellung und auch Preiserhöhungen gegenüber den Kunden kompensierten aktuelle Mehrbelastungen nicht vollständig.

Insbesondere die energieintensiven Handwerks- sowie Klein- und Kleinstbetriebe seien in ihrem Fortbestehen von politischen Entscheidungen abhängig, so der ZDH-Generalsekretär. Entlastungsmaßnahmen wie beispielsweise die Senkung von Strom- und Energiesteuern auf die europäisch zulässigen Mindestsätze oder das Aussetzen der neuen CO2-Bepreisung seien dringend notwendig.

Franz Xaver Peteranderl, Präsident des Bayerischen Handwerkstages (BHT), betont: „Die Internationale Handwerksmesse ist der Ort, an dem die Weichen für die Zukunft gestellt werden.

In einer Zeit, in der eine Krise auf die andere folgt, ist das Handwerk mit seinen gut ausgebildeten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unverzichtbarer Problemlöser. Das gilt es von Seiten der Politik mit Konzepten und konkreten Beschlüssen, etwa bei der Fachkräftesicherung, zu unterstützen.“

Wegweisend, so der Wunsch von Verbänden und Veranstalter, soll der Dialog zwischen politischen Entscheidern und Wirtschaft in diesem Jahr im Rahmen der Internationalen Handwerksmesse 2022 in München gestaltet werden.

Die Eröffnung dreht sich am 6. Juli 2022 ab 10 Uhr in Halle C6 in hochkarätig besetzter Runde um die bevorstehende Energiewende, die Auswirkungen der Ukraine-Krise und den Fachkräftemangel. Folgende Teilnehmer sind vor Ort:

Dr. Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz
Dr. Markus Söder, Ministerpräsident des Freistaates Bayern
Hans Peter Wollseifer, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks e.V. (ZDH)
Dipl.-Ing. Franz Xaver Peteranderl, Präsident des Bayerischen Handwerkstag (BHT)
Rebecca Freitag, Umweltwissenschaftlerin, Nachhaltigkeitsexpertin und ehemalige UN-Jugenddelegierte
Dipl.-Ing. Nick Zippel, Geschäftsführer des Energie- und Umwelttechnikbetriebs Sager & Deus GmbH

Auch das traditionelle Spitzengespräch der Deutschen Wirtschaft am Freitag, 8. Juli 2022 mit Bundeskanzler Olaf Scholz widmet sich dem aktuellen gesellschaftspolitischen und wirtschaftlichen Diskurs. Neben Kanzler Scholz berichten ab 16:45 Uhr in einer Pressekonferenz folgende Präsidenten der Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft zu den Ergebnissen:

Dr. Rainer Dulger, Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA)
Siegfried Russwurm, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI)
Peter Adrian, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK)
Hans Peter Wollseifer, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH)

BHT-Präsident Peteranderl setzt auf den im Rahmen der IHM stattfindenden Dialog mit der Politik: „Handwerkerinnen und Handwerker sind die Planer und Macher der Energie- und Verkehrswende. Sie montieren Photovoltaik-Anlagen, installieren Ladesäulen für die E-Mobilität, tauschen Heizungen aus, bauen energieeffiziente Häuser und reparieren Elektrofahrzeuge.

Für diese anspruchsvollen Aufgaben brauchen die Betriebe zusätzlich tausende qualifizierte Fachkräfte. Alleine in Bayern sind bei den Arbeitsagenturen aktuell rund 40.000 offene Stellen in Handwerksberufen gemeldet. Für rund die Hälfte dieser dringend benötigten Fachkräfte sind jedoch keine geeigneten Arbeitssuchenden registriert.

Deshalb werden wir in den Gesprächen mit der Politik klarstellen, dass die Herausforderungen vor denen unser Land steht, nur mit den Könnern des Handwerks gelingen. Gemeinsam müssen wir alles dafür tun, damit wieder mehr Jugendliche einen Handwerksberuf erlernen. Deutschland braucht ein Jahrzehnt der beruflichen Aus- und Weiterbildung!“

In Politik und Gesellschaft müsse der zentralen Rolle des Handwerks für die Zukunftsgestaltung Rechnung getragen werden, betont ZDH-Generalsekretär Schwannecke: „All das hat einen Wert! Der muss sich endlich darin ausdrücken, dass berufliche und akademische Bildung gleichwertig behandelt und finanziell auf Augenhöhe gefördert werden.

Nur so können wir dem Fachkräftemangel entgegenwirken. Gelingt es uns nicht, die Fachkräftelücke gerade im Handwerk zu schließen, sind Klima- und Energiewende in Deutschland gefährdet!“

Messestandort Deutschland – quo vadis?

Überschattet wird die diesjährige Internationale Handwerksmesse, die einmalig im Sommer stattfinden muss, von der anhaltenden Unplanbarkeit in der Coronapolitik der Länder, die für großen Schaden gesorgt hat und deren Wiederholung nun im Herbst und Winter 2022/2023 droht.

Dieter Dohr, Vorsitzender der Geschäftsführung des Veranstalters der IHM, der GHM Gesellschaft für Handwerksmessen mbH: „Nach zwei Jahren findet die IHM nun endlich wieder statt und ist die Plattform, die zukunftskritische Themen im Dialog voranbringt und in dieser Form möglich macht. Es macht mich fassungslos, dass die Unplanbarkeit der Politik anhält und droht, noch größeren Schaden in der Veranstaltungs- und Kulturwirtschaft anzurichten.

Aktuell erleben wir dasselbe politische Gebaren wie im vergangenen Jahr: Experten warnen vor neuen Mutationswellen im Herbst und die Politik weigert sich förmlich, Szenarienplanungen anzugehen. Stattdessen bleiben alle Branchen im Ungewissen, mit welchen Rahmenbedingungen im Herbst umzugehen ist und verlieren damit existenziell wichtige Vorbereitungszeit.“

Dabei steht für den Messeplatz Deutschland viel auf dem Spiel. Dohr: „Die deutschen Leitmessen haben im letzten Jahr internationales Vertrauen eingebüßt. Das politische Krisenmanagement hier zu Lande wurde mit Erstaunen zur Kenntnis genommen, während sich die Wettbewerbsmessen im Ausland in Stellung gebracht haben.

Fakt ist: Die Entscheidungen unserer Kunden für Messeteilnahmen im Herbst und Winter fallen jetzt. Was wir dringend und noch vor der Sommerpause brauchen, sind belastbare Entscheidungen der Politik! Andernfalls sehe ich schwarz.“

Noch immer kämpft die Branche mit den indirekten Pandemie-Schäden der vergangenen zwei Jahre: Arbeitskräfte aus dem gesamten Messewesen sind in andere Branchen abgewandert – so zum Beispiel aus der Messegastronomie, bei Standbauern oder Bewachungsdiensten.

Dieter Dohr: „Ein solcher Schaden lässt sich nicht von einem auf den anderen Monat beheben, umso wichtiger ist es, den guten Frühling und Sommer im Messewesen in den Herbst und Winter zu tragen. Wir ringen mit all unseren Partnern um die bekannte Qualität und Zuverlässigkeit in der Messeorganisation.

Preislich belastet uns diese Situation, die noch durch Materialknappheiten und Lieferengpässe verschärft wird, obendrein. Verlässlichkeit, Planbarkeit und vor allem Augenmaß in den Maßnahmen sind unsere Forderungen und die unserer Kunden. Was es nun braucht, ist politische Weitsicht!“

Alle Termine und die Möglichkeit zur Akkreditierung zur Internationalen Handwerksmesse 2022 finden Sie unter: www.ihm.de/presse

Die Internationale Handwerksmesse und die parallel stattfindende Garten München finden an fünf Tagen von Mittwoch bis Sonntag, 06. bis 10. Juli 2022 täglich von 9.30 bis 18 Uhr, auf dem Messegelände München statt. Vergünstigte Eintrittskarten im Online-Vorverkauf unter https://www.ihm.de/tickets.

Über die Internationale Handwerksmesse

Die Internationale Handwerksmesse ist die wichtigste Leistungsschau des Handwerks in Deutschland. Sie existiert seit 1949 und findet jedes Jahr im Frühjahr auf dem Messegelände München statt. Rund 1000 Aussteller aus etwa 60 Gewerken bieten Privathaushalten, Unternehmen und öffentlicher Hand einen umfassenden Überblick über Leistung, Qualität und Innovationskraft des Handwerks.

Zum Messeangebot gehören mehrere Leistungs- und Sonderschauen, auf denen Handwerker aus zahlreichen Ländern aktuelle Themen, Produktneuheiten und herausragende Arbeiten präsentieren. Weitere Informationen unter www.ihm.de.

Quelle: Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH)
Bild: ZDH/Boris Trenkel


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